Ledertramp

Blog über modernes Nomadenleben, Natur, Freiheit und Lebenskunst

Auf Odins Pfaden: Zu Fuß durch das Hochland Islands – Teil 1

Ich sitze im Flieger nach Reykjavik. Unruhig rutsche ich hin und her, eine bequeme Position möchte ich einfach nicht finden. Ich bin müde, schlafe aber nicht ein. Drei Stunden dauert der Flug von Hamburg in die Hauptstadt Islands. Der Pilot meldet sich und gibt durch, dass am Zielort Regen und Wind herrschen. Das war ja zu erwarten. Ich habe Deutschland am späten Abend verlassen. Als das Flugzeug holprig aufsetzt ist es bereits weit nach Mitternacht isländischer Zeit. Das Wetter ist wie angekündigt eher bescheiden. Zwei Flughafenmitarbeiter stehen draußen im waagerechten Starkregen und halten ein Schwätzchen. Als Isländer muss man hart im Nehmen sein.

Gesucht werden: Zwei Zelte und zwei Rotschöpfe

Ich verlasse die Maschine und laufe den Gang entlang Richtung Gepäckausgabe. Nachdem ich einige Zeit gewartet habe, gehe ich erstmal aufs Klo und Geld abheben. Das scheint hier zu dauern. Mit dreißig Riesen in der Tasche schlendere ich zurück zum Rollband, wo dann irgendwann endlich mein Rucksack angetuckert kommt. Schnell aus der Schale gepellt, schultere ich meine Last und mache mich auf den Weg in den Regen. Mit dem Bus fahre ich nach Reykjavik und dort weiter zum Campingplatz. Hier bin ich mit Patrick und Stefan verabredet. Der Plan ist, dass ich mein Zelt neben ihnen abbaue. Auf dem Campingplatz erwartet mich allerdings ein Wacken-Szenario. Ich drehe ein paar Runden. Die Zelte der beiden finde ich nicht. Also hinterlasse ich eine Notiz am Waschhaus und baue mein Zelt in unmittelbarer Nähe auf.

Ich glaube nicht, dass ich geschlafen habe. Irgendwann schaue ich auf die Uhr und stutze. Sieben Uhr. Da wollte wir doch schon im Bus sitzen. Ich stehe auf und drehe eine weitere Runde über den Zeltplatz. Jetzt wo es hell ist entdecke ich einen Bereich, der mir gestern nicht aufgefallen ist und da finde ich spontan die Zelte meiner beiden Freunde. Ruckzuck wecke ich sie und werde freundlich auf die Zeitverschiebung hingewiesen. Die hatte ich glatt vergessen. Aber jetzt kann ich auch nicht mehr schlafen, also baue ich mein Zelt wieder ab und packe meine Sachen. Zum Frühstück genehmige ich mir ein Franzbrötchen, welches ich noch aus Hamburg mitgebracht habe. Und dann weihe ich meinen selbstgebauten Spirituskocher ein und koche mir noch eine heiße Schokolade. Den Sprit haben Patrick und Stefan, die sich alsbald zu mir gesellen, aus der Hikerbox genommen. Wir quatschen ein bisschen, tauschen Neuigkeiten aus, observieren die langsam lebhafter werdende Lage und begeben uns irgendwann Richtung Bushaltestelle.

Wir rollen in Richtung Hochland

Mit dem Bus fahren wir entlang der Ringstraße nach Osten zum Skógarfoss. Zwischendurch machen wir ein paar Pausen, beispielsweise am Seljalandsfoss, einem Wasserfall hinter dem man hergehen kann. Das Wetter ist trüb und regnerisch. Schon vor dem Start der eigentlichen Reise packen wir unser Regenzeug aus. Wir fahren durch eine raue und ursprüngliche Landschaft. Berühmtheiten wie Eyjafjallajökull und Katla kommen in unser Blickfeld. Unsere Busbegleiterin erklärt dies und das. Wir sind noch mitten im Touristenstrom.

Skogarfoss

Schließlich erreichen wir den Skógarfoss. Auch hier tummeln sich massenhaft Menschen. Toilettenhäuschen, Touristinfo, Snackverkauf – alles vorhanden und im Hintergrund rauscht der gewaltige Wasserfall. Das Wasser, vom Regen der letzten Tage fast schwarz, stürzt sich in einer senkrechten Wut die Klippe hinunter. Wir nutzen noch ein letztes mal die Annehmlichkeit einer Sitzbank und einer Toilette, machen ein paar Fotos bevor wir schließlich unsere Rucksäcke aufsetzen und den Anstieg zum Hochland beginnen. Noch sind wir nicht alleine. Einige mutige Tagestouristen kämpfen sich den Hang empor. Es gleicht einer mittelprächtigen Schlammschlacht. Meine Asics Laufschuhe sind schnell angenehm nass und rutschig. Auch von oben macht der Skogarfoss eine gute Figur. Der Fluss läuft in breiten Kaskaden den Berg hinab und wird mit der Zeit immer schneller, bis er sich in die nicht mehr sichtbare Tiefe ergießt. Wir steigen stetig bergan. Der Weg ist zunächst noch breit und gut ausgetreten, aber das wird sich schon bald ändern. Während wir dem Skógár folgen wird das Wetter schlechter. Der Regen peitscht mir entgegen, Schirm und Poncho sind im Einsatz, die Regenhose leider erst zu spät ins Gedächtnis geraten. Als wir eine kleine Pause machen, holen uns drei Deutsche ein. Wir fachsimpeln eine Weile über GPS-Geräte und kommen schließlich auf meine Schuhe zu sprechen. Dass ich in Laufschuhen, die zu allem Übel nicht wasserdicht sind, laufe können sie nicht verstehen. Überhaupt scheinen die drei sehr soft zu sein, denn wie wir später erfahren nächtigen sie mit Vorliebe in den überteuerten Hütten des isländischen Wandervereins.Skógá

Feuer und Eis – Wir verlassen die Zivilisation

Bald verlassen wir den breiten Weg und auch den Skógár und begeben uns in die raue Wirklichkeit einer isländischen Wanderstrecke. Uns erwartet eine absolut lebensfeindliche Gegend bestehend aus Gletschereis, Schnee und erkaltetem Vulkangestein. Hier hat vor nicht allzu langer Zeit Eyjafjallajökull gewütet. In ganz Europa hat damals der Flugverkehr brach gelegen. Aber das größte Ausmaß des Ausbruchs zeigt sich erst, wenn man unmittelbar neben dem Vulkan spazieren geht. Keine Pflanze wächst hier mehr, nicht das kleinste bisschen Moos. So weit das Auge reicht ist kein Weg zu sehen, keine Spur von menschlichem Leben. Lediglich das vorhandene Wasser überzeugt uns davon, dass wir nicht längst auf einem fremden Planeten wandern. Wenn uns jetzt hier etwas passieren würde, würde uns mit Sicherheit nur schwer jemand erreichen. Es ist bitterkalt. Es stürmt und der Nebel erschwert die Sicht. Meine Handschuhe sind ganz weit unten im Rucksack. Ich werde sie heute nicht mehr herausholen, zu groß ist das Risiko meine gesamte Ausrüstung aufzuweichen. So friere ich gemütlich weiter, beide Hände am Regenschirm, den ich gegen den Wind stemme. So bleibt wenigstens mein Kopf verschont. Wir erreichen einen Steilhang zu dessen Fuß ein Bach plätschert. Eiskalt ist das Wasser, welches wir schnell durchqueren. Dann geht es ans erklimmen des Hangs. Stahlblaues Eis erwartet uns. Stefan findet schnell einen Weg, doch Patrick und ich habe Schwierigkeiten und rutschen immer wieder ab. Halb auf allen Vieren kriechen wir den Berg empor. Es ist keine weite Strecke und doch sind wir mehr als froh es schließlich geschafft zu haben. Wieder ein Stück weiter! Immer wieder checken wir auf dem GPS, ob wir noch richtig sind und wo überhaupt wir sind. Das schlechte Wetter macht das ganze schwierig, Orientierung anhand der Landschaft ist nicht gerade einfach. Wir finden heraus, dass eine Hütte nicht weit von uns ist. Wir beschließen, dort eine Mittagspause einzulegen. Wir kämpfen uns also weiter bergauf, bis wir besagte Hütte erreichen. Frierend stellen wir die Rucksäcke ab und klopfen mal an der Tür. In der Hütte ist es herrlich warm. Ein Fehler da reinzugehen. Aber wir brauchen Wasser und das gibt es weit und breit nicht. Die nette Hüttenwärtin lässt uns unsere Flaschen am Tank auffüllen und bittet uns, uns in ihr Buch einzutragen. Sie sagt, dass sie sich sicherer fühlt, wenn sie alle Menschen, die durchkommen registriert. Ich trage also unsere Namen und unsere geplante Route ein. Nach einer kurzen Aufwärmrunde geht es aber weiter. Wenigstens noch bis zur nächsten Zeltstelle.Nasskalt, aber guter Dinge Aber wie es dann so oft ist, die nächste Zeltstelle will einfach nicht kommen. Kein einigermaßen gerades Fleckchen Erde und auch kein guter Boden kommen in Sicht. Im Gegenteil, wir wandern auf Altschneefeldern und Geröll. Und das für viele Stunden. Hin und wieder kommen wir von der Route ab, im Neben und auf den Schneefeldern ist es sogar schwierig geradeaus zu gehen. Die Körper werden müde, aber anhalten können wir nicht. Kein windgeschütztes Fleckchen, wo man eine kurze Rast einlegen könnte, nein wir müssen in Bewegung bleiben. Und so wird unser erster Tag, an dem wir nicht allzu lang wandern wollten, schon wirklich anstrengend. Das GPS verrät uns, dass wir demnächst eine lange flache Ebene bewandern werden. Die Höhenlinien lassen auf ein Plateau schließen. Wir überlegen dort zu zelten. Aber nein, auch dort haben wir kein Glück, denn das Plateau ist nicht nur sehr steinig es ist auch sturmumtost. Da wird man definitiv keine erholsame Nacht verbringen können. Dafür ist es landschaftlich wirklich spektakulär. Wir wandern auf einem riesigen Quader und zu unserer Belohnung reißt sogar noch für kurze Zeit der Himmel auf, ermöglicht einen mystischen Blick auf die umliegenden Berge und Täler und lässt einen Regenbogen erscheinen.

Mystik Islands

Der Tag neigt sich zu Ende, so wie auch unsere Kraft

Adrenalin schießt durch mein Gehirn. Ich stehe am Rande des Plateaus, sehe in das Tal hinab, welches wir gleich durchqueren müssen. Auf der anderen Seite geht es wieder hoch. Der Wind schlägt mit solcher Kraft gegen meinen Körper, dass ich das Gleichgewicht halten muss. Wir alle starren auf die plötzlich sichtbare Landschaft. Ich sehe das Grinsen auf den Gesichtern meiner Mitwanderer. Dafür wandert man. Für eben diese kurzen Momente der überwältigenden Schönheit der Natur. Wir schießen Fotos und richten unsere Regensachen. Schließlich gehen wir weiter, steigen in das Tal hinab, gegenüber wieder hinauf. Mittlerweile wünschen wir uns einfach nur noch die Zelte aufzubauen. Aber immer noch ist keine Möglichkeit in Sicht und so wandern wir noch ein paar Kilometer, bis wir schließlich einen weiteren Abstieg vor uns haben. Schon von oben, sehen wir endlich wieder grüne Flächen. Nach stundenlangem Schnee und Vulkangestein, Sturm, Nebel und Kälte, ist dieser Anblick geradezu wunderbar. Es ist faszinierend, wie groß der Unterschied in der Vegetation ist, sobald man einige Höhenmeter absteigt. Was in den Alpen auf zweitausend Metern passiert, scheint hier in zweihundert zu passieren. Kein sanfter Übergang von Wiesen zu Fels, im Gegenteil, Island macht einen radikalen Schnitt. Halbe Sachen gibt es in diesem Land nicht. Während wir absteigen, halte ich Ausschau nach einem geeigneten Platz für die Zelte und siehe da, zwei Stellen tun sich auf. Wir gehen ein paar mal zwischen beiden Stellen her und entscheiden uns schließlich, die Zelte in einem Talkessel aufzubauen. Es ist windig, aber alles ist gut. Die Zelte sind schnell aufgebaut, die Schlafsäcke ausgerollt und die Körper in die Waagerechte verfrachtet. Bald schon haben wir das Abendessen zwischen den Zähnen. Durch die dünnen Zeltwände unterhalten wir uns, doch ohne aufs Klo zu gehen, Zähne zu putzen, oder auch nur Gute Nach zu sagen schlafe ich ein. Am nächsten morgen bemerke ich zweierlei. Erstens: Gestern bin ich mitten im Gespräch eingeschlafen, ohne Vorwarnung und ganz plötzlich. Zweitens: Meine Zeltstange ist gebrochen und hat ein Loch in das Außenzelt gerissen.

Fortsetzung folgt…

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